25 Feb Starke Männer tanzen doch – Olympia-Medaillengewinner Zawieja beim RVM
Martin Zawieja macht es sich und seinen Schützlingen nicht leicht. Das ist auch nicht sein Job. Im Gegenteil: Wenn der 55-Jährige im Kraftraum des Rudervereins Münster auftaucht, dann werden Gewichte gestemmt, bis sich die Oberarme biegen.
1988 sicherte sich der gebürtige Dortmunder in Seoul Olympia-Bronze im Gewichtheben, vier Jahre später reichte es in Barcelona noch zu Rang neun, in Atlanta (1996) und Sydney (2000) hatte Zawieja immerhin eine tragende Rolle als Athletensprecher der deutschen Abordnung. 18 Jahre später bringt er nun die Jungs und Mädels des RVM in Form.
Zawieja hat seinem Sport viel zu verdanken. „Eigentlich alles“, sagt er ohne zu zögern. Die sportliche Karriere sowieso, alles weitere irgendwie auch: Das Studium an der Trainerakademie in Köln mit dem Abschluss als Diplomtrainer für Gewichtheben, den Job als Coach des Bundesligisten AC Soest, mit dem er zweimal Deutscher Meister wurde. Von 2011 bis 2014 war er auch Athletiktrainer beim Deutschen Handballbund, wo er unter der Ägide von Martin Heuberger ebenso die Kräfte der Nationalspieler weckte wie später bei den Junioren-Nationalteams des DFB. Aktuell macht der Neu-Münsteraner das Olympia-Team Luxemburgs fit für Tokio 2022.
Martin Zawieja ist ein gefragter Mann, obwohl sein Sport im Sterben liegt. Medial nur schwer vermittelbar und schwer dopinggeschüttelt, schien die Zeit der Gewichtheber bereits abgelaufen, doch plötzlich hat der Zeitgeist ihr wichtigstes Utensil wieder ganz nach oben gespült: In allen Crossfit-Studios Deutschland werden Langhanteln gestemmt. Bei den letzten nationalen Meisterschaften im Gewichtheben waren die Frauen-Konkurrenzen deutlich besser besucht als die der starken Männer – die Fitness-Studios schicken ihre fleißigsten Nutzer. Zawieja ist überzeugt, dass es keinen Sport gibt, bei dem die Langhantel nicht zur Verbesserung der individuellen Leistungsfähigkeit beitragen kann – und als Überzeugungstäter macht er mindestens eine so gute Figur wie vor 30 Jahren auf der olympischen Bühne. Damals stemmte er 225,5 Kilo und brachte im Reißen 185,5 Kilo zur Hochstrecke, heute verrät er seine Geheimnisse.
Vereine schaffen sich Langhanteln an, schicken ihre Trainer zu Weiterbildungen oder besorgen zumindest die Lehrbücher – und alle stoßen sie früher oder später auf den Namen von Zawieja. Er bildet in Seminaren und Schulungen bundesweit Trainer aus, seine Bücher und DVDs zählen zu den Standardwerken des modernen Athletiktrainings.
Kein Wunder, dass man beim RV Münster ein wenig stolz ist, nicht nur die Bücher, sondern deren Autor höchstpersönlich zu Rate ziehen zu können. „Hanteltraining ist gut für jeden Sport“, sagt Zawieja, „die kleinen Sportgymnastinnen nehmen einen Besen, die Bob-Anschieber die ganz schweren Geräte.“ Die Ruderer verortet Zawieja schon eher in der Nähe der Anschieber. In Münster sowieso, weil die RVM-Coach Thorsten Kortmann und Benedikt Göller in Ratzeburg vom Meister persönlich geschult wurden – und den Herrn der Hanteln mit etwas Verzug mitgebracht haben an den Dortmund-Ems-Kanal und ins Bootshaus des RVM. Es war allerdings nur noch der kleinste und letzte Schritt des langen Weges, der einst zufällig im Türkei-Urlaub begann. Dort lernte Zawieja seine künftige Gattin Andrea Woitschitzke kennen und lieben. Die ehemalige Turniertänzerin arbeitet in Münster als Tanzpädagogin und veränderte auch den Lebensrhythmus von Zawieja. Der starke Mann tanzt jetzt auch – und beendete der Partnerin zu Liebe sein Engagement als Lehrwart im Gewichtheberverband Baden-Württemberg in Heidelberg. Kein sonderlich schwerer Entschluss, wie Zawieja lachend betont: „Ich wollte ohnehin zurück in die Nähe der Heimat.“ Münster ist dem Mann aus dem Pott allemal dicht genug. Von hier aus betreibt er erfolgreich und bundesweit seine Langhantelschule.
Von seiner ersten Anlaufstation in Hiltrup zog es ihn jetzt mitten in die City. Der Umzug steht am Wochenende an, sollte aber kein Problem sein, seine Schützlinge aus dem Kraftraum des RVM sind allesamt zur Stelle – und natürlich war ihnen keine Kiste zu schwer.
Foto: Ansgar Griebel
Artikel: Münstersche Zeitung 20.02.2019